Tende
 
     
   
     
     
     

 

 

 

 

 
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Allgemeines zu Tende

 

 

 
 

Tende ist ebenso merkwürdig wie der Rest des Vallee de la Roya.

Obwohl er an der Grenze liegt, hält der mittelalterliche Ort seine schweren Holztüren vor der Welt verschlossen und besitzt dadurch eine eigenartige Atmosphäre.

Tende bewacht den Col de Tende, den alten Paß zwischen Piemont und der Provence. Die Fahrt über den Paß, der heute durch einen Tunnel umgangen wird, war einst ein furcht einflößendes Ereignis. Smollett, der ihn 1765 überquerte, war "sprachlos angesichts dieses berühmten und gefährlichen Berges".

Seine Furcht war nicht unbegründet. Abgesehen von der Bedrohung durch Banditen und Schmuggler war auch die Überquerung sehr schwierig: Sechs Männer mussten mit Pickeln das Eis aufschlagen, bevor Smollett passieren konnte.

Wenn man von La Brigue kommt, ist Tende immer noch ein eindrucksvoller Anblick.

Der neuere Teil des Ortes liegt am Fluss, darüber erhebt sich die mittelalterliche Stadt stufenweise bis zu einem Friedhof und dem Stumpf eines Turms.

Der Turm aus dem 14. Jahrhundert ist als einziges von dem feudalen Chateau der Lascaris-Dynastie übrig geblieben. Das Schicksal von Tende war wie das vieler anderer Orte bestimmt von einer übermächtigen Kirche und verarmten, unterdrückten Bauern.

Auch zu Beginn unseres Jahrhunderts waren die Bauern und Bergarbeiter noch sehr arm: Man reiste zu Fuß oder mit dem Maultier, Brot war ein Luxusartikel und wurde getrocknet, damit es länger hielt.

Während des Faschismus wurde Tende Garnisonsstadt. Während der Kriegsjahre waren hier 3.000 italienische Soldaten stationiert.

1947 kam Tende wieder zu Frankreich, und die italienischen Truppen und Zivilbeamten zogen ab.

Erst in den achtziger Jahren wurde der Niedergang durch eine neue Eisenbahnlinie und die Entstehung von Skigebieten gestoppt.

Auch der Parc National du Mercantour und das Vallee des Merveilles zogen Touristen in die Region.

Doch Tende bleibt blind gegenüber dem Tourismus; auf dem Stadtplan ist die vieille ville, der interessanteste Teil der Stadt, einfach ein weißer Fleck.

Die vieille ville ist aus grau-grünem; Schiefer gebaut, der immer noch in der Nähe abgebaut wird. Geschwärzt von der Zeit und den Abgasen, bestimmen die düsteren Häuser die Atmosphäre.

Die überhängenden Dächer sind keine Dekoration, wie ein Blick auf die schneebedeckten Gipfel verdeutlicht. Außerdem ist es in Tende nie wirklich heiß: "En ete il y a toujours de l' air" (im Sommer weht immer ein Lüftchen), wie man von den abgehärteten Einheimischen erfährt. Nur die orange- und rosafarbenen Glockentürme strahlen Wärme aus.

Die spätgotische Cathedrale, die versteckt in einer Allee liegt, ist aus schwarz­grünen Steinen errichtet und müsste dringend restauriert werden. Die Renaissance- Fassade wird von Säulen gerahmt, die auf Steinlöwen ruhen, was für eine Kirche eher ungewöhnlich ist.

Alte Nussholztüren führen in das majestätische Innere, das mit einer toskanischen Decke und dem Wappen der Lascaris, einem zweiköpfigen Adler, geschmückt ist. Um die Kathedrale scharen sich mittelalterliche Häuser und Kapellen.

Altstadt

Bei einem Gang durch die vieille ville werden die Enge und die düstere Atmosphäre noch bedrückender. Die Türstürze der dicken Eichentüren tragen die Zeichen mittelalterlicher Gilden. Die Rue Beatrice Lascaris windet sich durch das mittelalterliche Viertel zum Lascaris­ Turm empor, zu den Resten von Befestigungsanlagen und dem Friedhof.

Außerhalb der Saison wirkt vieille Tende mittelalterlich.

Les gens du pays, das Landvolk, sammelt in Leiterwagen Feuerholz und Maultierdung; alte Männer schälen Olivenholz; über dem offenen Feuer werden Maronen geröstet; in dunklen Ecken fallen Hunde übereinander her. Der Lärm von Sägen, Hacken und Geschrei erfüllt die Luft. Selbst die Gerüche haben sich seit dem Mittelalter nicht verändert: Sägemehl, Rauch, Mist, Hundekot, Weihrauch und Maronen.

Neustadt

Bei einem Gang durch die Neustadt um die Place de la Republique kann man dieser bedrückenden Atmosphäre entfliehen. Hier duftet es nach Lasagne und Pizza, nach Forellensouffle und Piemonteser Polenta. Die schwerverdaulichen Polenta-Gerichte erinnern an Tendes Anfänge.

Bis vor kurzem lebten die Ärmsten von Maronen und Kohlsuppe oder Teigwaren aus Mehl, Öl und Kartoffeln. Sonntags wurde dieses Menü mit une bonne sauce aufgebessert.

Wildbret verkaufte man an die Wohlhabenderen.

Jetzt ist die Küche der von Sospel ebenbürtig, doch manche passionierten Jäger können es nicht lassen, im Parc National du Mercantour zu wildem. Es empfiehlt sich, in den Restaurants von Tende nicht nach der Herkunft des Wildes zu fragen.

Tende ist, ungewöhnlich für einen Grenzort, immer noch eine selbstgenügsame, in sich geschlossene Welt, die der Mangel geprägt hat. Bis einmal die Touristen kommen, wird es nur wenige residences secondaires und Fremde geben.

Viele, die fortgezogen sind, haben sich einen Zufluchtsort reserviert, um eines Tages zu den Wurzeln zurückkehren zu können.

In Tende möchte man die bäuerlichen Traditionen erhalten. Es ist ein Ort, wo man im Ruhestand Hühner hält und Gemüse anbaut. In Reichweite des Glanzes der Cote d' Azur schlägt hier das starke Herz der französischen Provinz.