Sarlat-la-Caneda
 
 
 
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Bericht über Sarlat-la-Caneda

 

 

 

 

 

Ein Erfahrungsbericht von mnowak über Sarlat-la-Canéda (29.10.2001)

Frenetische Purzelbäume

der Begeisterung schlägt der (Michelin) Reiseführer wenn es um diesen Ort geht: Mittelalterliches Dekor, geschmückte Renaissancefassaden, ein wahres Bild einer Handelsstadt unter dem Ancien Regime,... doch nicht nur eine Kulisse habe man vor sich, nein, einen wahrhaft lebendigen Ort, an dem es sich gut leben ließe.

Und in der Tat, für Souvenirhändler und Kunsthandwerker muß das Leben in Sarlat angenehm sein. Als Besucher muß man allerdings mit den vielen anderen Touristen und dem Mangel an Parkplätzen leben.

Sarlat-la-Canéda liegt im Südwesten Frankreichs, im Departement Dordogne (vom gleichnamigen Fluß durchflossen) welches zur Aquitaine gehört. Landschaftlich liegt es in einer als "schwarzes Perigord" (Périgord noir) bezeichneten Gegend, die durch ihre Wälder gekennzeichnet ist. Sarlat geht auf eine Klostergründung der Benediktiner Ende des 8. Jahrhunderts zurück. Von Karl dem Großen (oder Charlemagne, wie ihn die Franzosen nennen) bekam das Kloster die Reliquien des heiligen Sacerdos und seiner Mutter, der heiligen Mondane, was damals sehr gut für den Ruf eines Klosters (und damit das Geschäft) war. (Wie, ihr kennt den heiligen Sacerdos nicht? Den bedeutenden Bischof von Limoges?.... Mein Heiligenlexikon kennt ihn auch nicht...) Doch auch die Bürger der Handelsstadt kamen zu Geld und wollten sich die kirchliche Herrschaft nicht länger gefallen lassen, wodurch es zu einer längeren, teilweise auch blutigen (ein Abt wurde während eines Gottesdienstes von einem Pfeil getroffen) Auseinandersetzung kam, die erst 1299 durch einen königlichen "Friedenserlaß" beigelegt wurde. (Heute würde man das einen Kompromiss nennen: der Abt behielt die Herrschaft über die Stadt, die Verwaltung übernahmen aber bürgerliche Konsulen.)

Die wirtschaftliche Blütezeit im 13. und Anfang des 14. Jahrhunderts blieb vom Streit zwischen Kirche und Bürgern weitgehend unbehelligt, erst der hundertjährige Krieg (1360 fällt Sarlat an die Engländer) läßt die Stadt verwüstet und entvölkert zurück. Doch blieb die Stadt (nach ihrer Rückgabe an Frankreich) in königlicher Gunst und erhielt das Recht, Abgaben zu erheben und wurde von einige Steuern befreit. In nur 50 Jahren, zwischen 1450 und 1500 bauten die Bürger die Stadt wieder auf und diesem schnellen Aufbau ist sicher das geschlossene Stadtbild mit den gotischen und Renaissancefassaden zu verdanken, das sich dem Besucher heute darbietet. Sarlat blieb prosperierende Handlesstadt bis ins 17. Jahrhundert (mit einem weiteren Aufschwung durch die Gegenreformation), danach tat sich nichts mehr (die Dordogne ist letztendlich eben doch eine eher abgelegene Gegend), abgesehen von der im 19. Jahrhundert schneisenartig durch die Altstadt geschlagene Hauptstraße, bis man in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts begann, die alten Gebäude zu restaurieren. Heute hat die Stadt über 9000 Einwohner und die Altstadt beeindruckt in der Tat mit dem hervorragenden Eindruck einer Handelsstadt aus "der guten alten Zeit". Auch daß sie laut Reiseführer als Filmkulisse beliebt ist kann man ohne Schwierigkeiten glauben.

Und la-Canéda? Nun, der Nachbarort wurde irgendwann zu Sarlat hinzugenommen. Mehr erscheint dem Reiseführer zumindest nicht erwähnenswert und auch die Webseite (http://www.crt.cr-aquitaine.fr/crtafr/sarlatla.htm) befindet den zweiten Teil des Ortsnamens nicht einmal einer Erwähnung für würdig....

Die touristische Wirklichkeit sieht dann aber um einiges härter aus. Lobpreis im Reiseführer zieht viel Volk an (und in Flußnähe an der Dordogne herrscht im Sommer ohnehin kein Mangel an Touristen) und jeder kommt mit dem Auto. (Wie auch sonst, wir sind in Frankreich und auf dem Lande obendrein....) Schon unter normalen Umständen dürften die Parkplätze nicht besonders üppig vorhanden sein, doch wenn Mitte Juli einer der direkt an die Altstadt angrenzenden Parkplätze durch einen Jahrmarkt belegt ist (und ein weiterer noch halbwegs nahe gelegener mit den Wohnwägen und LKWs der Jahrmarktsbetreiber), dann heißt es Wanderschuhe einpacken. Bereits Kilometer vor der Altstadt parken Touristenautos am Straßenrand und rund um den Stadtkern geht es weiter. Für kleine Kinder, ältere Menschen oder Gehbehinderte ist ein Besuch in Sarlat unter diesen Umständen schlichtweg nicht zu empfehlen! (Oder man muß auf einem der wenigen zentrumsnahen Parkplätze auf einen freien Platz warten...)

Die Altstadt selber ist dann komplett Fußgängerzone, was angenehm ist. Die Rue de la Republique aus dem 19. Jahrhundert teilt die Stadt in einen "noblen" östlichen und einen "volkstümlichen" westlichen Teil. Entlang dieser Straße, die beinahe wie jede beliebige Hauptstraße einen französischen Provinzstädtchens wirkt (abgesehen von den fehlenden Autos), ahnt man kaum, welche Schönheiten sich zu ihren Seiten verbergen. Die Hauptsehenswürdigekeiten befinden sich alle im östlichen Teil.

Und ohne Zweifel, was das Dekor und die Atmosphäre betrifft, hat der Reiseführer nicht zu viel versprochen:

Häuser aus ockerfarbenem Kalkstein, gotische Bogenfenster, verzierte Renaissancefassaden, die typisch steilen dunkelgrauen Dächer (weil mit Steinplatten gedeckt), schmale Gassen, romantische Durchgänge, repräsentative Plätze, eine große Kirche,.... schöner kann auch ein japanischer Reiseprospekt "pittoreskes Europa" nicht malen.

Und ich sage bewußt "malen", denn photographieren kann man nicht, ohne daß einem kurzbehoste Touristen ins Bild latschen, die sich mit ihren Videokameras ständig gegenseitig vor die Linse laufen. Und praktisch hinter jeder Fassade verbirgt sich ein Geschäft oder ein Restaurant. Zwar passen die Läden größtenteils durchaus zum Stil der Stadt, aber es sind einfach sehr, sehr viele, Schaufenster an Schaufenster. Angeboten wird größtenteils Kunsthandwerk (z.B. Keramikgänse, denn die Gans, als Lieferantin de "Foie gras" ist ein Symbol des Perigord) und Lebensmittel. Alle Arten von Gänse- (und Enten)leberprodukten, Nußgebäck und -konfekt,Weine (meist Cahors), Brände und Vin de Noix.

Bei Kunst und Kunsthandwerk findet man durchaus qualitätvolle Produkte aber ein Blick auf die Unterseite der Teller und Tassen, das Ettiket der Schürzen und Tischtücher ist empfehlenswert, um nicht versehentlich chinesische Handwerkskunst mit nach Hause zu nehmen. Im Bereich der Lebensmittel bietet Sarlat eine große Auswahl und bei den allermeisten Händlern kann man erst mal kosten. Gerade bei Vin de Noix oder Konfekt ist das im Supermarkt und bei kleinen Händlern auf dem Land in der Regel nicht möglich und da es sehr unterschiedliche Sorten gibt, kann man dadurch einen Fehlkauf vermeiden. Hier ist dann auch der Aufpreis gegenüber anderen Geschäften mit ähnlichen Produkten an weniger touristischen Orten gerechtfertigt. Weniger gerechtfertigt erschienen mir die Preise für so manchen Wein (wir haben vor Ort beim Hersteller k´gekauft und in Sarlat auch nicht probiert). Zwar wird teilweise mit "Preise wie vom Eigentümer" Werbung gemacht, aber das muß in diesem Fall wohl "Eigentümer des Ladens" bedeuten, nicht "Eigentümer des Weingutes".... Ein kleiner Vergleich: Wir haben für offenen Cahors-Wein in A.O.C Qualität in den "Caves d'olt" FF 14,50/Liter gezahlt. In Sarlat wollte man FF 20/Liter für schlichen "vin de pays"!

Beim Besichtigen von Sarlat braucht man nicht unbedingt einen Reiseführer, denn die Altstadt ist so klein, daß man innerhalb von zwei Stunden auf alle Fälle überall vorbeigekommen sein muß.... aber natürlich weist einen ein Führer dann noch auf bestimmte Gebäude mit ihren besonderen Merkmalen hin. Besonders stolz ist man auf das Geburtshaus des Schriftstellers/Philosophen Etienne de Boetie, das neben dem berühmten Bewohner noch eine Renaissancefassade und das typisch steile Dach aufzuweise hat. Daneben führt eine interessante Passage (passage Henri-de-Ségogne) in einen Hof: ein Bogen, ein Gang und zum Abschluß noch ein Gewölbe. Der Hof mit seinen schmucken Fachwerkhäusern ist ebenfalls sehr anziehend, hier passen die dicht an dicht gepackten Auslagen der Geschäft auch gut zu der mittelalterlichen Stimmung. Interessant fand ich unter anderem auch den ehemaligen Bischoffssitz, weil dieser mit jedem Stockwerk einen neuen Baustil aufweist: Gotik im Erdgeschoß, Renaissance im ersten Stock und obendrauf noch italienische Renaissance. Eine besondere Kuriosität stellt die "Totenlaterne" aus dem 12. Jahrhundert dar: zwar liegen in dem zylindrischen Türmchen zwei Räume übereinander, aber der obere, in dem gewöhnlich Licht brannte, hat keinen Eingang oder Aufgang.... ein Rätsel, dessen Lösung wohl eines Sherlock Holmes bedürfte.

Etwas weniger Touristen findet man im westlichen Teil der Stadt, zumindest wenn man sich einige Meter von der Hauptstraße wegbewegt. Enge Gassen und den einen oder anderen netten Turm oder Durchgang findet man auch hier, aber genauso verfallene Häuser. In den engen und steilen Gassen bekommt amn allerdings viel mehr den Eindruck, daß auch tatsächlich Menschen dort leben.

Wer die Preise der Restaurants und Bars in der malerischen Altstadt selber etwas zu hoch findet: An der Rue de la Republique hat man zwar keinen so attraktiven Blick auf die alten Häuser, aber dafür ist es erheblich billiger.

So, wie sieht es aus, kann man den Besuch in Sarlat empfehlen?

Ja, wenn man nur einen (Nachmit)Tag Zeit hat und eine Zusammenfassung über "mittelalterliche Provinzstädte im Süden Frankreichs" bekommen und noch ein paar hochwertige Souvenirs einkaufen möchte. (Europa- oder Frankreichrundreise mit wenig Zeit für Einzelheiten) Vorausgesetzt, man bekommt das Parkproblem irgendwie gelöst....

In allen anderen Fällen: Nein, ein Besuch muß nicht sein. Gerade im Perigord und dem angrenzenden Quercy gibt es viele nicht weniger schöne mittellaterliche Dörfe, Städte, Bastiden, die vielleicht nicht alle so durchgehen restauriert sind, aber einen nicht minder attraktiven Spaziergang gewährleisten. Nur mit weniger Parkproblemen, günstigeren Preisen und etwas weniger Touristen.