Das Elsass
 
 
 
Südfrankreich
Burgund
Tal der Loire
Alpen
Wandern
Bücher Fotos
Hotel
Ferienhaus
Mietwagen
Flüge
Pauschalreisen
Reisepartner
 
 
 

 

Das Elsass / Märchen und Legenden

 

 

 

 

Märchen und Legenden aus dem Sundgau und anderswoher.

         
Märchen und Legenden
  Die schwarze Jungfrau im Tannenwald
   
   

Ludigari war ein Einsiedler, der in einer Hütte mitten im Tannenwald lebte.
Er war von solcher Güte, dass er aus Furcht, einer Grille oder irgendeinem anderen Insekt etwas zu Leide zu tun, immer den Blick auf den Boden richtete.

Er legte reichlich Vorräte an Beeren, Gräsern, Eicheln und Bucheckern an, um Vögel, Eichhörnchen und andere Tiere zu ernähren, wenn sie im Winter klagend an seine Hütte kamen.

Der Heilige verbrachte manchmal Monate, ohne einer menschlichen Seele zu begegnen und hatte fast zu reden verlernt, da er sich nur mit Gesten verständigte.

Er wurde sehr, sehr alt, lief gebückt und kam nur zum Fest der heiligen Jungfrau aus seinem Wald heraus. Seine Haare und sein Bart, der so lang war, dass er damit den Boden fegen konnte, waren weiss wie Schnee


Eines Morgens fühlte er sich sehr schwach und ihm wurde klar, dass er bald sterben müsse. Er legte sich auf sein Lager aus Farnblättern und fing an, die Gebete eines Sterbenden zu sprechen. Durch die weit geöffnete Tür und das kleine glaslose Fenster brach strahlender Sonnenschein und obwohl er um himmlischen Segen bat, tat es ihm Leid, seinen schönen Wald verlassen zu müssen, wo die Vögel so fröhlich sangen, dass man glauben mochte, ewig jung zu bleiben und dem Sensenmann zu entkommen.

Er fand es auch traurig, so alleine, ohne irgendeine lebendige Seele, sterben zu müssen. Da er sehr fromm war, betete er zur Schwarzen Jungfrau, nachdem er drei kleine Seufzer vor Bedauern ausgestossen hatte, und empfahl ihr seine Seele.

In diesem Augenblick jedoch kletterten zwei kleine Grillen den weissen Bart bis zu seinem Ohr hoch, um ihm zu versichern, dass er nicht einsam sterben müsse, da alle Waldbewohner Vertreter schicken würden, um ihm beizustehen.

Alsbald kamen zwei Marienkäfer, zwei Ameisen, zwei Hirschkäfer, zwei Goldkäfer, zwei Eichhörnchen, zwei Hasen, zwei Rebhühner, zwei Auerhähne und so weiter, bis alle Tiere des Waldes vertreten waren. Was die Vögel betraf, so kamen sie zu Tausenden, ein Zweiglein Maiglöckchen oder Feldthymian im Schnabel oder eine andere duftende Waldblume.

Sie kamen durch die offene Tür, liessen das Pflänzlein aufs Bett oder den Boden fallen und flogen zum Fenster wieder hinaus. Dann liessen sie sich auf dem Dach nieder, wo sie aus Leibeskräften sangen, bis ihnen fast die Stimme versagte. Es war schon Nacht als sie noch immer musizierten.

Der Einsiedler lächelte, fand aber, dass es ein wenig dunkel war. Er hätte doch gerne alle Tiere, die er so liebte, betrachtet und ihnen mit seinem entspannten Antlitz seine unendliche Dankbarkeit gezeigt.

Da geschah es, dass blaues Licht von einem leuchtenden Band, das sich auf dem Boden fortbewegte, ausging; es waren die Vertreter der Glühwürmchen, die in grosser Zahl gekommen waren. Sie gruppierten sich um seinen Kopf und formten einen Heiligenschein. Dann schien ein Mondstrahl durch die weit geöffnete Tür und das kleine glaslose Fenster und die Hütte erstrahlten im Licht.

In der Ferne vernahm man das Klingeln eines Chorkindes. Als das Läuten näher kam, sah man zwei Engel eintreten, die kleine Silberglöckchen schwangen. Hinter den Engeln in einem mit Gold durchwirkten weissen Gewand, trat die schwarze Jungfrau von Einsiedeln ein, deren Antlitz, schwarz wie Ebenholz, allerlieblichst anzusehen war. -„Hier bin ich Ludigari", sprach sie, „du hast mir immer mit Anmut geholfen und so werde ich dich persönlich zu Christus, meinem lieben Sohn begleiten."

Da schloss der alte Einsiedler die Augen, liess einen langen Seufzer vernehmen und atmete seine gute Seele aus, wobei alle Tiere anfingen, ihren lieben Freund zu beweinen.