Henri de Toulouse-Lautrec in Frankreich

Weder vom Alter her noch von der Malereiauffassung entspricht Henri de Toulouse-Lautrec der Periode des Impressionismus. Er gehört eher in die Generation der "Söhne". Auch war er nie ein Maler der Landschaft und des Lichts. Sein Hauptthema ist der Mensch, und zwar waren es hauptsächlich die Mädchen aus der fließend-vergänglichen Welt - ein Begriff, den die japanischen Holzschneider, die Toulouse-Lautrecs Vorbilder waren, für die Vergnügungsviertel benutzten -, die ihn anzogen. Dabei war seine Malerei geprägt durch den verehrten Edgar Degas, aber auch beeinflusst durch den nur wenig älteren Vincent van Gogh. Beide aber hat er übertroffen in der direkten nahen Menschlichkeit, die seine Gemälde ausdrücken, und in der fließenden Linienführung, die die Kunst des Fin de Siècle, den Jugendstil, einleitet.

 

Henri de Toulouse-Lautrec wird am 24. November 1864 in Albi im Südwesten Frankreichs geboren. Er ist der letzte Nachkomme des Geschlechts der Grafen von Toulouse, Sohn des exzentrischen Grafen Alphonse-Charles und seiner Cousine Adèle Tapié de Celeyran. Henri ist ein bezauberndes und hübsches Kind, intelligent und zeichnerisch begabt, aber von schwächlicher Konstitution; sein Körper ist erblich geschädigt, und er bricht sich in zwei aufeinander folgenden Jahren, 1878 und 1879, beide Beine. Nach diesen Unfällen wächst er nicht mehr weiter und bleibt 1,52 m groß. Sein Kopf und Oberkörper haben die Größe eines Erwachsenen, aber seine Beine sind kurz und verkrüppelt.

Henris zeichnerische Begabung wird gefördert, er erhält in Paris Unterricht bei dem tauben Maler René Princeteau, einem Freund seines Vaters. Kurze Zeit zeichnet er auch im Atelier des akademischen Malers Léon Bonnat, der ihn in ziemlicher Fehleinschätzung für einen schlechten Zeichner hält. Daraufhin geht er zu Fernand Cormon, wo er auch Emile Bernard - mit Gauguin Begründer des Symbolismus - und Vincent van Gogh kennen lernt. Mit den jüngeren Malern aus Cormons Atelier arbeitet er aber nicht nur, man genießt auch gemeinsam das gesellschaftliche Leben der Stadt, und bald ist Toulouse-Lautrec, der finanziell unabhängig ist, ein Habitué der Tanzlokale und Cabarets auf dem Montmartre.

Er freundet sich mit dem Chansonnier Aristide Bruant an, in dessen Cabaret "Mirliton" er ausstellt. Erste Erfolge erzielt er auch in Brüssel, wo er von der Gruppe "Les XX" (Die Zwanzig) um James Ensor und Theo van Rysselberghe 1888 zu einer Ausstellung eingeladen wird.

Die Themen, die ihn sein Leben lang beschäftigen, findet er aber in Paris. Dort wird 1889 das berühmte "Moulin Rouge" eröffnet, ein großes Vergnügungsetablissement, für dessen Tänzerin Louise Weber, genannt La Goulue, "die Gierige", und ihren Partner Valentin le Désossé, "der Schlangenmensch", Toulouse-Lautrec schon bald Plakate entwirft. Als Plakatlithograph tritt er in die Nachfolge von Jules Chéret, der auf die neuen Bildplakate spezialisiert war, die die Schriftplakate abgelöst hatten. Er übernimmt viele werbegrafische Aufträge, illustriert Speisekarten und Programmzettel und lithographiert immer wieder Plakate. Eines seiner Lieblingsmodelle ist die graziöse und zurückhaltende Tänzerin Jane Avril.

Sein Leben führt dazu, dass er mehr trinkt, als gut für ihn ist, außerdem zieht er sich eine Syphilis zu. Wie seine Mutter auf Badereisen geht, so zieht er sich gelegentlich für einige Wochen mit großem Gepäck in ein Bordell der Rue d'Amboise zurück, dessen Salon er mit sechzehn Bildern schmückt. Er fühlt sich wohl unter den Frauen, die ihn seine Verkrüppelung nicht spüren lassen und die die natürlichsten Modelle für ihn sind. Bis 1894 stellt er mehrere Male im Salon des Indépendents und zusammen mit der Gruppe "Les XX" aus.

 

 

1895 malt er Dekorationen für eine Jahrmarktsbude der Goulue. Außerdem beginnt er sich für den modischen Radsport zu interessieren und macht Reklame für Fahrradketten. Er vollendet zwei Lithographiealben über die Chansonnette Yvette Guilbert. Allerdings wird sein Alkoholismus immer schlimmer. 1899, nach einem schweren Anfall von Delirium tremens, bringt ihn seine Familie zu einer Entziehungskur in einer privaten Nervenklinik in Neuilly unter. Auch in der Klinik zeichnet er sorgfältig und konsequent, in dem Bestreben, seine geistige Gesundheit zu bewahren. Nach seiner Entlassung wird er einem Freund der Familie, Paul Viaud, anvertraut, der ihn am Trinken hindern soll. Sie reisen nach Le Havre, wo Toulouse-Lautrec wieder zu malen beginnt. Aber er kann das Trinken nicht mehr aufgeben und kommt immer mehr herunter. 1900 erleidet er einen leichten Schlaganfall, 1901 hat ein weiterer Anfall eine halbseitige Lähmung zur Folge. Seine Mutter lässt den Todkranken nach Schloss Malromé bringen, wo sie lebt. Am 9. September 1901 stirbt Henri de Toulouse-Lautrec im Alter von 36 Jahren in Gegenwart seiner Eltern.

 

Albi

 

 

 
 
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