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Feste in Südfrankreich nach Themen - Ravioli

 

 

 

 

Ravioli für alle

Ravioli ist zwat ein italienisches Wort, aber diese Form von Pasta (oder pate in Frankreich) könnte in den Bergen von Vercors erfunden worden sein, dem Grenzgebiet zwischen den savoyischen Alpen und der Provence.

Die Region ist ein wahres Käseparadies. Die Kühe und Schafe, die die Sommermonate hier verbringen, liefern eine exzellente Auswahl an Weichkäse, wobei der Ziegenkäse von St. Marcellin typisch ist für den Produktionsstil der Region.

Einst war dies ein sehr armes Land. Im Mittelalter war für die hier lebenden Bauern Fleisch unerschwinglich.

Aber sie produzierten neben Käse auch gutes Mehl und sammelten die vielen Kräuter, die auf den Bergen wuchsen.

Aus diesen einfachen Zutaten entwickelten sie bereits im 15. Jahrhundert eine Paste aus Mehl und Wasser, die mit ein wenig Ei angereichert, mit Käse gefüllt und mit Kräutern aromatisiert — heute wird meist Petersilie verwendet — wurde.

Das Ergebnis sind die Ravioli oder ravioles, wie sie in Frankreich heißen.

Sie haben mit den italienischen Teigtäschchen nicht viel gemeinsam, da sie viel kleiner sind und nur vegetarische Zutaten verwendet werden.

Wie wurden die Ravioli wohl von den Bauersfrauen in den Bergen früher zubereitet?

Vielleicht belegten sie einfach einen ausgerollten Teig mit kleinen Häufchen von Füllmasse, bedeckten ihn mit einer weiteren Teiglage, drückten den Teig rund um die Füllung fest und schnitten die Täschchen aus. Heute erfolgt die gesamte Produktion von Ravioli maschinell.

Obwohl man Ravioli heute in ganz Frankreich bekommt, sind sie eine Spzialität des Jsere-Tales.

Die Produktion konzentriert sich in der alten Stadt Romans, die strategisch günstig am Fluß und an der Hauptstraße von Valence nach Grenoble liegt.

Auch die Weingärten von Hermitage sind nicht weit entfernt. Romans hat etwa 32.000 Einwohner, aber außerhalb der Hochsaison ist es sehr ruhig im alten Viertel über dem Fluß.

Aber an den Festtagen!

Gegen Ende September nützt die Stadt die letzten warmen Tage und veranstaltet ein Fest zu Ehren ihrer Spezialitäten, bei dem auch kräftig die Werbetrommel gerührt wird.

Zu den Besonderheiten zählt ein brotähnlicher Kuchen namens la pogne, der dem fouace von Najac geschmacklich und äußerlich nicht unähnlich ist.

Es gib eine verwandte Variante namens St. Genix, die klein und rund ist wie ein Käselaib, aber vor dem Backen an der Oberseite eingeritzt wird.

Die Zwischenräume werden mit leuchtend roten Mandeln gefüllt, wodurch der Kuchen aussieht, als ob er bluten würde.

La pogne spielt aber nur die zweite Geige und wird von den Ravioli in den Hintergrund gedrängt.

Das Fest findet rund um den Tour Jacquemart ab, den mittelalerlichen Turm, der von der längst zerstörten Festung erhalten blieb.

Auf der Turmspitze befindet sich ein Glockenspiel, das automatisch von einer napoleonischen Figur namens Jacques bedient wird. Das Instrument, mit dem er die Glocke schlägt, ist ein marteau oder Hammer— daher der Name Jacquemart.

Am Platz General de Gaulle neben dem Turm wurde von der «Vereinigung zur Verteidigung der wahren Ravioli» ein Stand aufgebaut.

Die elegante Dame, die ihn betreut, erläutert, daß sich die wichtigsten Produzenten zusammenschlossen, weil sie den Verwechslungen zwischen italienischen Ravioli und den traditionellen ravioles von Romans entgegenwirken wollten.

Die französische Variante ist völlig anders, sie wird aus Weizenmehl hergestellt, in Italien hingegen wird Hartweizengrieß verwendet. Um die Zusammensetzung des Teiges, die Zubereitungsart und das Produktionsgebiet zu schützen, wurde der Gesellschaft 1989 eine Art Appellation Controlee, ein Markenschutz, für ihre Ravioli zuerkannt.

Die Vereinigung hat acht Mitglieder, von denen vier in Romans tätig sind.

Ich sprach mit der Doyenne, die eine Firma namens «Ravioles Madame Maury» repräsentiert. Madame Maury war so freundlich, mir trotz des Festtagswirbels etwas mehr über die Ravioli von Romans zu erzählen.

Sie erinnerte sich an die Zeit ihrer Kindheit, als die Ravioli ein wichtiger Teil jeder Feier und ein populäres regionales Gericht waren.

Kein Dorffest oder Sportereignis kam ohne einen Ravioli-Experten aus.

In die Privathäuser kamen am Tag vor einer Hochzeit oder vor Weihnachten die Raviolimacher, die bis heute les ravioleuses heißen, um die Fülle vorzubereiten und den Teig auf Nudelbrettern auszurollen. Dann schnitten sie den Teig, um die Ravioli mit der Hand fertigzumachen.

Am nächsten Tag wurden die Ravioli in die Brühe der poule au pot (Hühnersuppe) pochiert. Auch heute noch läßt man sie in der Suppenbrühe bei geringer Hitze nicht länger als zwei Minuten köcheln. Sie müssen unverzüglich mit etwas geschmolzener Butter oder geriebenem Käse gegessen werden.

Laut Expertenmeinung ist dies nach wie vor die einzige und beste Zubereitung für Ravioli, aber erfindungsreiche und talentierte Küchenchefs ließen sich von diesem Dogma nicht beirren und kreierten eigene Ravioli-Spezialiäten.

Manche füllen sie mit tapenade, andere servieren sie mit Wildpilzen; wieder andere Rezepte verlangen einen Blätterteig und eine Füllung aus Hühnerleber; eine der einfachsten und köstlichsten Zubereitungsarten ist, sie nicht länger als eine Minute in Öl zu braten und auf knackigem grünem Salat zu servieren.

Wer möchte, kann eigene Ravioli zubereiten, die bestimmt köstlich schmecken werden. Aber man muß sich nicht die Mühe machen, denn im Laden bekommt man die professionell hergestellten Produkte ebenso.

Für den Teig braucht man nur Mehl, Wasser, Eier, etwas Butter und Salz, während für die Fülle die traditionelle Mischung aus Kuhmilch- und Ziegenkäse, Butter mit Petersilie und Gewürze gewonnen wird.

Beim Schneiden des Teiges wird der Hobbykoch allerdings allemal von der modernen Technik geschlagen.

Im La Mere Maury hat Madame sieben Küchenchefs im «Atelier» zur Verfügung. Einer mischt die Füllung, ein anderer schlägt den Teig in einem elektrischen Teigmixer. Ein anderer rollt ihn mit einem Nudelholz aus, das sich vorwärts und rückwärts bewegt, bis der Teig die erforderliche Zartheit hat.

Dann wird er von einer Maschine in große Rechtecke geschnitten. Danach wird die Oberfläche mit der Fülle belegt und dann mit einem zweiten Teigquadrat bedeckt, und im letzten Durchgang werden die Teigstücke in einer Kältekammer gehärtet.

Diese Quadrate heißen plaques und enthalten 48 Ravioli. Drei plaques werden grosse genannt, und zehn grosses werden zu einem Karton verpackt.

So werden sie an Läden und Supermärkte ausgeliefert. Die Ravioli halten sich etwa eine Woche frisch, aber sie lassen sich auch gut tiefkühlen und müssen vor dem Kochen nicht aufgetaut werden.

Am Place Jacquemart ist bereits die Angelobung der neuen Raviolibotschafter im Gange, wobei jeder Auserwählte eine Bronzemedaille aus Ravioli um den Hals gehängt bekommt.

Die Ponge-Kandiaten werden mit einem Miniaturkuchen geschmückt.

Auch der Zeremonienmeister scheint durstig zu sein, ungeduldig beobachtet er die Kirchturmuhr. Zwei Flaschen Crozes-Hermitage, ein köstlicher Weißwein, wird für den Ausschank vorbereitet.

Der Verkaufsstand der Bruderschaft ist der Mittelpunkt des Festes, an dem sich die Honoratioren versammeln.

Großhändler und Supermarktvertreter drängen sich neben den Bürgern von Romans. Jeder ist bei diesem Straßenfest willkommen, bei dem jeder jeden zu kennen scheinen.

Es werden Unmengen von Ravioli verkauft, die vor Ort oder im Lokal gegessen werden. Es gibt kein Cafe oder Restaurant in der Stadt, das nicht Ravioli serviert.

Nach dem Essen stehen Kamelritte für die Jungen und Junggeblieben, Volkstänze, eine Oldtimer-Rallye und eine Falkenjagd auf dem Programm.

Tänzer können die Nacht durchtanzen, und Bewegungsunwilligere noch eine Portion Ravioli genießen.