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Feste in Südfrankreich nach Themen - Hartkäse

 

 

 

 

Fest von Chalvignac - Hartkäse

Um vier Uhr morgens enden die Feste für gewöhnlich.

In Chalvignac, im Westen der Region Cantal, beginnen sie um diese Zeit. Im Zentrum dieses Festes stehen die liebevoll produzierten Käselaibe, die viele Monate harter Arbeit auf den Almen der französischen Auvergne repräsentieren.

Der Großteil der Milch, den das mit Bergkräutern ernährte Vieh liefert, wird zur Pasteurisierung und für die Massenproduktion an industrielle Butter- und Käseproduzenten verkauft.

Es gibt aber noch etwa ein Dutzend Kleinproduzenten unter den Käsemachern, sieben davon im Cantal, die übrigen in Aveyron. Diese verwenden nur die unpasteurisierte Milch der eigenen Kühe, um allerfeinsten Hartkäse herzustellen.

Melken im Morgengrauen, Monsieur Tailli verbringt den Winter mit seiner Herde in St. Cernin, ein paar Kilometer nördlich von Aurillac.

In diesen Höhenlagen gibt es selbst im Sommer nicht genug Weideland, weshalb er sein Vieh Ende Mai auf die Sommerweiden auf ein abgelegenes Hochplateau namens Espinassou zwischen Mauriac und Puy Mary bringt. Hier, in etwa 1200 Metern Höhe, besitzt er seine Almhütte, die hier buron genannt wird, und in der er ab Ende Mai mit seinen Hunden lebt.

Seine einzige Gesellschaft sind die vier Hirten, die ihm beim Melken und Viehtreiben helfen. Etwas weiter nördlich entspringt in den Einschnitten des Monts Dore die Dordogne, die sich weiter westlich unterhalb des unscheinbaren Dorfes Chalvignac durch unzugängliche Schluchten in die Tiefe stürzt.

Wie in vielen anderen Dörfern findet das Fest von Chalvignac Ende August statt.

Zufällig ist Monsieur Pradeyrol, der Bürgermeister, ein guter Freund von Monsieur Taille und hat eine Vorliebe für guten Käse und Produkte der Region.

Er hatte die Idee, das Fest mit einem Besuch in Monsieur Tailles Almhütte einzuleiten und mit einer anschließenden Feier in Chalvignac bei der der herrliche Käse der Auvergne gewürdigt wird, abzuschließen.

Der Besuch in der Almhütte beginnt mit dem Melken der Herde um halb fünf Uhr morgens.

Um vier Uhr morgens versammeln sich etwa 60 Leute, die sich für den Ausflug angemeldet haben, auf dem Dorfplatz von Chalvignae. Den müden Gesichtern ist abzulesen, daß sie bezweifeln, ob ihre Entscheidung klug war. Es ist stockdunkel. Der Schulbus führt die Autoschlange durch die engen gewundenen Straßen an, vorbei an Fenstern, hinter denen Bauern staunen, daß so viele Städter vor ihnen auf den Beinen sind.

Der Weg führt zu einer Grasebene. In eine Bodensenke geduckt ist bereits die Almhütte zu sehen, eine schwache Laterne ist weit und breit der einzige Hinweis auf Menschen. Die Dunkelheit wird immer undurchdringlicher, als die Gruppe in der kalten Morgenluft über holprigen Boden auf die Weide geführt wird, wo Kühe und Hirten bereits warten.

Nach etwa einem Kilometer, gerade als die erste Andeutung von Morgenröte den Weg zu erhellen beginnt, zeigen Fackeln an, daß das Ziel nahe ist.

Eine Drahtumzäunung, die etwa 60 Quadratmeter einschließt, taucht aus dem Dunkel auf. In einer Ecke steht ein dreieckiger, hölzerner Stall, in dem sich die Kälber befinden.

Was als erstes auffällt, sind die seltsamen, wie eine Leier geschwungcnen Hörner der Kühe, die alle eine glänzende Blechglocke umgehängt haben. Die Rasse nennt sich Salers. Salers ist (wie Laguiole) eine geschützte Markenbezeichnung für Käse der Sorte Cantal. Er darf ausschließlich aus Milch von Salers-Kühen hergestellt werden.

Salers-Käse muß vor dem Verkauf laut Vorschrift mindestens drei Monate reifen, während für einen Cantal nur ein Monat Reifung verpflichtend ist. Das erklärt, warum dieses Fest erst Ende August, also nach der Transhumanz, stattfindet.

Beim Näherkommen bemerkt man, daß sich ein Außenseiter in der Umzäunung befindet. Es ist der Esel des Bauern, dessen Aufgabe es ist, die Milch zurück zur Hütte zu bringen.

Im Karren hinter ihm stehen hübsche hölzerne Bottiche für die frische Milch. Bald ist es hell genug, um die Melker mit ihren Eimern bei der Arbeit zu beobachten.

68 Kühe müssen gemolken und die Milch nach jedem Melkdurchgang zum Eselskarren getragen werden. Freundlich bitten die Melker den Besuchern warme Milch an.

Ein alter, erfahrener Kuhhirte, der bedelier, überwacht das Melken. Er kennt jedes Kalb und weiß, zu welcher Mutterkuh es gehört. Er geht in den Stall und begleitet die Kälber einzeln zu den Muttertieren, wo sie die restliche Milch bekommen. Er treibt sie mit einem geknoteten Seil und lauten Worten in einem völlig unverständlichen Dialekt an.

Das Zusammenspiel von Mensch und Tier funktioniert wunderbar ökonomisch, was Zeit- und Energieaufwand betifft. Als die Arbeit getan ist, steht die Sonne bereits als heller Feuerball am Himmel und wirft malvenfarbene Scharten über die Hügel.

Um halb sieben Uhr ist es Zeit für ein casse-croute, einen Imbiß.

Die Hirten verschließen die Bottiche und überprüfen das Geschirr des Esels, der die Viehherde anführt, die von zwei Promenadenmischungen zur Hütte zurückgetrieben wird.

Der Rest der Gruppe folgt in respektvoller Distanz und wundert sich über die Zahl der Kuhfladen, in die so mancher Besucher tappt. Aber wie ein Hirte meinte: «Ceux-la vous porteront de bonheur...» — «Das bringt Glück ...<>.

Vor der Hütte sind Tische gedeckt, dampfende Schüsseln mit Käsesuppe werden herausgetragen, auf die sich besonders jene freuen, die in der schwachen Sonne noch frösteln.

Die Käsesuppe ist eine gehaltvolle Fleischbrühe über Landbrotscheiben, die mit Käse belegt wurden, der durch die Wärme der Suppe schmilzt.

In Plastikbechern wird Rotwein aus der Auvergne gereicht; abschließend wird heißer Kaffee mit herrlicher Salers-Sahne serviert. Salers-Butter und Salers-Käse ergänzen das kräftige Frühstück.

Auffallend ist die geschmackliche Ähnlichkeit der warmen Milch, die wir am frühen Morgen gekostet hatten, mit dem frischen Milchgeschmack des Käses, was zweifelsohne daran liegt, daß die Milch nicht pasteurisiert wurde.

Um Stimmung zu machen, beginnt jemand cabrette, eine Art Dudelsack, zu spielen.

Nach dem Frühstück lädt Monsieur Taille die Milchbottiche vom Wagen und gibt in jedes etwa zehn Zentiliter (nicht ganz ein Weinglas) Lab. Später erzählt er, daß an diesem Morgen etwa 320 Liter Milch zusammengekommen sind, was zeigt, wie wenig Lab man braucht, damit die Milch zu arbeiten beginnt, und um die geronnene Milch von der Molke zu trennen.

Die Bottiche stehen in der Mitte des tadellos sauberen Bodens, an einer Seitenwand befindet sich eine Metallpresse auf Rädern, die dazu dient, die geronnene Milch zu einer homogenen Masse zu verbinden. An der hinteren Wand stehen zwei grüne Metallpressen, in denen der fertige Käse in die vertraute zylinderförmige Form gepreßt wird.

Jeder Laib wiegt etwa 40 Kilogramm. Nach dem Salzen wird der Käse in das «Sanktuarium» der Hütte gebracht, wo er in kühler Dunkelheit wie Wein reift.

Beim Käsemachen hält Monsieur Taille die Milch in jedem Faß sorgfältig mit einer großen Rührstange in ständiger Bewegung. Als sich Klumpen bilden, greift er zu einem groben, flachen Metallsieb, das in rechtem Winkel an einer langen Metallstange befestigt ist.

Er hebt und senkt das Gerät, um geronnene Milche und Molke gleichmäßig zu verteilen, damit das Lab einwirken kann.

Die Arbeit erfordert viel Kraft, doch Monsieur Taille besitzt kräftige Oberarme. Die anstrengende Arbeit hält ihn auch nicht davon ab, seine Schlagfertigkeit unter Beweis zu stellen. Schließlich hat das Lab sein Werk vollbracht, und es ist an der Zeit, die Molke abzuseihen, wobei ein Eimer und ein kleinerer Krug verwendet werden.

Als nur noch die festen Teile zurückbleiben, werden diese zum ersten Preßdurchgang gebracht. Soviel verbleibende Molke wie möglich wird mit bloßen Händen ausgepreßt, die geronnene Milch in Musselin eingewickelt und die Presse verschlossen.

Es ist verblüffend, wie viel Flüssigkeit die Milch immer noch enthält. In der Auvergne wird nichts verschwendet, 30 durstige Schweine warten im Stall auf die Molke.

Abends ist die erste Pressung beendet. Das Ergebnis, eine kuchenähnliche Scheibe, wird tomme genannt, und von manchen gerne gegessen. Es ist etwas scharf und sauer, paßt aber gut zu einem Glas leichten Landweins.

Häufiger aber wird der tomme für aligot verwendet und für truffade, eine weitere lokale Spezialität mit Kartoffeln, Knoblauch und Käse.

Nach der Demonstration der Käseherstellung ist es Zeit, nach Chalvignac zurückzukehren.

Im Gepäck mit dabei ist ein ausgereifter Laib Salers — die Einheimischen nennen den Käse fourme‚ den Monsieur Taille aus dem dunklen Keller geholt hat.

Der Bürgermeister trommelt seine Gruppe zusammen, und die Fahrzeuge formieren sich zur Rückreise. Der Zug hält unterwegs an, um das Chateau d‘Auzers zu besuchen, dessen Besitzer, Monsieur Le Baron, eine Führung durch die zauberhafte kleine Renaissance-Festung leitet, und einen Imbiß mit bourriols, hausgemachten Buchweizen-Pfannkuchen anbietet, die wir mit einigen Gläsern Kir hinunterspülen.

Die Reise geht weiter und endet bei einem Mittagessen in einem Landgasthof außerhalb von Chalvignac.

Mir fällt kein Teil vom Schwein ein, der bei diesem aufwendigen, aber typischen Fest der Auvergne nicht auf dem Speiseplan stünde.

Das Schwein dient schließlich als Hauptnahrungmittel dieser Region. Den letzten Gang, eine flaugnarde aus Pflaumen, eine Art Yorkshire Pudding, können wir kaum noch bewältigen.

Wein aus der Auvergne wird ausgeschenkt. Die Stimmung ist ausgezeichnet, als wir zu einer Fahrt die Dordogne hinah — in zwei gabarres, jenen flachen Booten, mit denen früher die Frachten den gefährlich seichten Fluß hinabbefördert wurden —‚ aufbrechen.

Den Käse nehmen wir natürlich mit, um zu demonstrieren, daß die Produkte der Auvcrgne früher auf dem Fluß transportiert wurden.

Unten in der Schlucht, mit Blick auf den großartigen Barrage de l‘Aigle zur Rechten, führt die Route zum Landesteg La Ferriere, wo sich unserem Cabrette-Spieler zwei Akkordeonisten anschließen, um die Bootspartie mit Gesang und Tanz zu begleiten.

Es wird tatsächlich getanzt an Bord. Die Boote werden während der etwa eine Stunde währenden Flußreise behutsam gestakt — eine herrliche Gelegenheit, sich vom schweren Mittagessen zu erholen. Gleichzeitig kann man von den Bootsmännern lernen, was es seinerzeit hieß, diese Boote flußauf- und abwärts nach Bordeaux zu schiffen.

Es dauerte etwa eine Woche, um mit der Strömung flußabwärts zu gleiten und Weinfässer, Käse und Holz zu transportieren. Die Rückreise, bei der die Boote von Pferden über gefährliche Pfade gezogen wurden, dauerte allerdings drei Monate, auf dem Rückweg waren die Boote mit Produkten beladen, die die Bauern nicht selbst herstellen konnten.

Als die Boote in La Ferriere anlegen, erwartet uns eine köstliche Brotzeit, die aus gebratenen Fischen besteht, die am Flußufer von der Dame, die das örtliche Fischlokal führt, mit Zitrone und eiskaltem Weißwein serviert wird.

Es ist Zeit, nach Chalvignac zurückzukehren. Der Käse wird von zwei weißen Pferden auf einem Karren transportiert. Dahinter bildet sich eine Fahrzeugkolonne, die immer ungeduldiger wird, da die Prozession eine volle Stunde bis zum Dorf braucht.

Dort sind bereits die Vorbereitungen für das eigentliche Fest im Gange, das am Samstagmorgen beginnen soll. Handwerker und Fleischer bauen ihre Stände auf, ein Orgelspieler unterhält die Kinder, und Händler aus Laguiole stellen ihre berühmten Messer aus, die für einen jungen Mann auf dem Land so unentbehrlich sind wie schicke Turnschuhe für die Jugendliche in der Stadt.

Auf dem Dorfplatz, wo ein moderner überdachter Markt im Stil der alten Hallen erbaut worden ist, geht ein Raunen durch die Menge, als die «Käsegruppe», angeführt vom Bürgermeister, eintrifft.

Dieser Bürgermeister ist kein steifer Würdenträger. Er ist ein Dorfbewohner wie alle anderen auch, der es nicht scheut, sich die Hände schmutzig zu machen. Er ist der erste, der vom Karren springt, um den schweren Käse abzuladen und zu seinem Ehrenplatz neben der Halle zu tragen.

Mit einem Draht schneidet er den 40 kg Käse professionell auf, der nun zur Verkostung an die Menschenmenge verteilt wird .

Monsieur Praderol erweist sich erneut als vorbildlicher Bürgermeister, indem er eine kurze und pointierte Rede hält, die Region und ihre Produkte preist und dann kurzerhand das Fest für eröffnet erklärt.

Zwei Tage lang wird nun ausgiebig gefeiert. Die Touristen sind sich bewußt, daß sie in wenigen Tagen wieder in der Schule oder an ihrem Arbeitsplatz sein werden. So mancher denkt noch lange an den Tag, als man die Schönheit der frühen Morgenstunden in den Hügeln der Auvergne genoß und die Käsemacher in ihrem Sommerquartier traf.