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Radfahren in Frankreich - Tour de France

 

 

 

Der Tag, an dem Fabio Casartelli starb

Der vierte Todesfall in der Tour-Geschichte

Der Col du Portet d'Aspet ist mit 1.069 Metern kein Pyrenäen-Riese. Eigentlich also kaum erwähnenswert, wäre da nicht dieser 18. Juli 1995 gewesen. In der Hochgeschwindigkeitsabfahrt des Berges kommt es zu einem Massensturz mit mehreren Verletzten - und einem Toten.

In der Hochgeschwindigkeits-Abfahrt desselben Berges kommt es bei Tempo 90 in einer Kurve zum Massensturz. Dirk Baldinger, der Deutsche, bricht sich das Becken, der Italiener Dante Rezze fällt die Böschung hinunter, aber einen hat es noch schlimmer erwischt: Gekrümmt und bewegungslos liegt der Italiener Fabio Casartelli, Olympiasieger von 1992, auf der Straße - in seiner eigenen Blutlache. Er ist mit dem Hinterkopf gegen eine steinerne Streckenbegrenzung geprallt - der beste Helm der Welt hätte ihm also nichts geholfen. Casartelli wird sofort mit dem Rettungshubschrauber in die Klinik nach Tarbes gebracht, wo er drei Stunden später stirbt, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Er hinterlässt Frau und ein Baby, wenige Monate alt. Der vierte Todesfall in der Geschichte der Tour de France.


Business as usual - zynisch
Die Etappe wird nicht abgebrochen, denn Richard Virenque ist auf dem Weg zum Etappensieg - und wird auch von Tour-Direktor Jean-Marie Leblanc nicht über den tragischen Unfall unterrichtet. Im Ziel geht die Siegerehrung ihren gewohnten Gang. Die Hostessen werden von Leblanc angewiesen, nicht allzu fröhlich zu küssen, was sie im Eifer des Auftritts ignorieren. Zynischer und pietätsloser geht es wohl kaum.

Oder doch? Virenque ist mittlerweile informiert und reagiert beleidigt, beinahe eifersüchtig auf die Tragödie, weil der "Schwarm aller französischen Schwiegermütter" die Anerkennung und den Wert seines sportlichen Erfolgs geschmälert sieht. Als ob sich Casartelli absichtlich und bösartigerweise ausgerechnet seine Etappe zum Sterben ausgesucht hätte.

Eine Lektion der Würde
Die Fahrer reagieren am nächsten Tag mit einer "Lektion der Würde", wie die L'Equipe später schreibt. Sie fahren geschlossen die 237 Kilometer von Tarbes nach Pau und lassen im Ziel Casartellis Teamkollegen von Motorola zuerst die Linie überqueren. Für einen Tag siegt Solidarität und Anstand. Die Tour trägt Trauerflor. Motorola will nicht mehr weiterfahren, doch Casartellis Witwe kann die trauernden Kollegen ihres verstorbenen Mannes überreden, die Tour zu beenden - in seinem Sinne.


Lance Armstrong fährt für zwei
Es ist Lance Armstrong, der zwei Tage später die vielleicht intensivste Form von Trauer-Arbeit demonstriert. Nachdem sein sportlicher Leiter ihm erzählt, dass Casartelli sich für die Etappe nach Limoges Chancen ausgerechnet hatte, reißt der Amerikaner aus, um seinem Mannschaftskameraden die letzte Ehre zu erweisen. Die letzten 40 Kilometer fährt er alleine zum Ziel und gibt später an, dass er das Gefühl hatte, als ob zwei auf dem Rad säßen. Auf der Zielgeraden zeigt er mit beiden Zeigefingern in den Himmel, hinauf zu Fabio, als ob er sagen will: "Ich spüre seine Gegenwart und ich habe für ihn gewonnen. Für ihn, seine Familie und alle, die um ihn trauern."

Ein Meilenstein
Für Paul Sherwen, damals PR-Chef von Motorola, ist es rückblickend ein Knackpunkt in Armstrongs Karriere: "Casartellis Tod war ein Meilenstein für Lance - er realisierte, dass es ihn hätte genauso treffen können, und das hat ihn motiviert, noch mehr für seinen Sport zu tun. Wenn der Radsport schon so ungewiss war, so wollte er wenigstens das Beste daraus machen." In seinem Buch "Tour des Lebens" wird Armstrong später schreiben, dass Limoges - trotz überstandener Krebserkrankung - der bewegendste Tag seines Lebens war.

In memoriam Fabio Casartelli
Jedes Mal, wenn das Peloton der Tour Fabio Casartellis Gedenkstein am Portet d'Aspet passiert, unterbricht es seine Fahrt zum Gedenken an den verstorbenen Kollegen - Fabio, ti ricorderemo - Fabio, wir werden Dich nie vergessen...