Collioure
 
 
 
Paris
Burgund
Tal der Loire
Alpen
Wandern
Bücher Fotos
Hotel
Ferienhaus
Mietwagen
Flüge
Pauschalreisen
Reisepartner
 
 
 

 

Berichte über Collioure

 

 

 

 

Wo die "Wilden" malten

Languedoc-Roussillon: Beschauliche Spätherbsttage im romantischen Künstlerdorf Collioure.

Von Claudia Diemar

Es gibt in ganz Frankreich keinen blaueren Himmel als den von Collioure. Ich brauche nur die Fensterläden zu öffnen und schon habe ich alle Farben des Mittelmeeres bei mir", begeisterte sich Henri Matisse über das 1905 von ihm entdeckte Küstendorf. Collioure ist für Matisse die perfekte Synthese von Land und Meer, ein Ort, der sich zwischen den letzten Ausläufern der Pyrenäen und dem ultramarinblauen Mittelmeer in die Bucht schmiegt wie ein schläfrig-zufriedenes Tier, das zwischen Orangen und Oleander in der Sonne döst.

Der Künstler ist wie berauscht, malt wie ein Besessener, kann nicht genug bekommen von den Farben und Motiven dieses Küstendorfes. Er wählt leidenschaftliche Töne: sonnentrunkenes Chromgelb, grelles Ziegelrot, exaltiertes Orange vor tintig dunkler Dünung. Er malt alle Tageszeiten: Den Morgen mit seinen klaren reinen Tönen, die Mittagsstunde mit ihrem weiß-betäubendem Licht, den Spätnachmittag mit zinnoberrot glühendem Strand und die blaue Stunde mit kühlem Türkis über den Wellen. Im Laufe des Sommers kommt André Derain dazu.

Der kreative Rausch des Malerduos ist zunächst namenlos. Erst zwei Jahre später, im Herbst 1907, als der Journalist Louis Vauxcelles auf einer Ausstellung ausruft, er glaube sich unter Wilden, hat der Stil eine Bezeichnung: Fauvismus, von "les fauves" - die Wilden. In der nächsten Saison schaut auch Georges Braque mit seiner Palettte vorbei, später folgen Raoul Dufy und Albert Marquet. Doch Matisse und Derain sind die Gründer und Hauptvertreter des in Collioure geborenen Fauvismus.

Nördlich von Collioure ist die Küste des Languedoc-Roussillon wie mit einem Lineal gezogen. Hinter dem Saum der endlosen Sandstrände zwischen Gruissan und Argelès-Plage, wo einst republikanische Flüchtlinge aus dem spanischen Bürgerkrieg und später Naziverfolgte interniert waren, reihen sich heute die Campingplätze in dichter Folge.

Erst bei Le Racou, wo die "Albères" genannten letzten Ausläufer der Pyrenäen den Wellen des Mittelmeeres entgegen taumeln, beginnt die "Côte Vermeille", die sich bis zur spanischen Grenze bei Port-Bou erstreckt. Als Namensgeber der "Zinnoberküste" gelten die im Abendlicht rot glühenden Felsen, die die schmalen Buchten einrahmen.

Wer an einem Spätnachmittag mit der Sonne im Rücken auf der D 86 auf Collioure zufährt, versteht Matisses Begeisterung sofort.

Die Felsen, Dächer und Fassaden leuchten in Lippenstiftfarben vor der Kulisse eines makellosen mediterranen Bleu. Vom Belvedere am Fort Miradou hat man den schönsten Blick über Hafen und Stadt. Nur wer vom Meer kommt, muss den frühen Morgen als Tageszeit für seine Ankunft wählen, um den gleichen Farbentaumel zu erleben.

Von der See her kam man einst: Die Phönizier, die die Stadt gegründet haben sollen, die Griechen, Kreter, Etrusker und die Römer. Im Schutze der Bucht haben die Schiffe von Kaufleuten aus Genua, aus Venedig und dem Orient geankert. Die Araber vernichteten den Ort, die Grafen von Barcelona bauten ihn wieder auf. 1171 befestigt der König von Aragon die Küste mit einer Burg. In diesem Château Royale residieren nicht nur Könige und Krieger, sondern auch Mönche.

Als sie in ganz Frankreich längst verfolgt, vertrieben oder ermordet sind, halten sich hier die Templer mit Duldung der Könige von Mallorca noch bis 1344. Die wehrhaften Mönche sollen es gewesen sein, die aus den hiesigen Reben jenen renommierten Süßwein ausbauten, für den die Gegend noch heute berühmt ist. Endgültig zu Frankreich kommt die Côte Vermeille erst 1659 nach dem Pyrenäenvertrag. Ludwig XIV. schickt seinen Stararchitekten Vauban, um Collioures Hafen zu befestigen.

Seither thront das Fort Miradou mit zwei kleineren Nebenfesten über der Küste. Heute sind die stolzen Mauern nichts als pittoreske Wegmarken. Man kann auf einem Küstenwanderweg vorbei spazieren, sich den Seewind um die Nase wehen lassen und braucht keine Kanonade zu befürchten. Allerdings sollte man Collioure im Hochsommer meiden.

Der Ort ist viel zu pittoresk, um von Scharen von Ausflüglern durchstreift zu werden, die sich durch die Altstadtgassen mit ihren Fassaden in Terrakotta und Ocker schieben. Es gibt dann keine Parkplätze und keine freien Stühle in den Straßencafés an der Plage Boramar.

Collioure ist ein Ziel für den Herbst, wenn im Hinterland die Weinfeste gefeiert werden, und das Meer wie changierender Seidenstoff in blaugrün leuchtet, bevor es den winterstumpfen Grauton annimmt. Jetzt ist die Zeit für lange Stunden in der milden Sonne mit Blick auf ein Lieblingsmotiv von Matisse: Die Kirche Notre Dame des Anges, deren Turm seit maurischer Zeit als Leuchtfeuer dient.

Noch haben die kleinen Lädchen im Quartier du Mouré geöffnet, die katalanische Stoffe und Flechtschuhe anbieten. Obwohl weder im Museum des Château Royal noch im nahen Musée Peske an der Straße nach Port-Vendres ein echter Matisse oder Derain zu sehen ist, sind die Bilder der beiden berühmten Wilden in Collioure auf dem "Chemin des Fauvistes" allgegenwärtig.

Zwanzig wetterfest überzogene Reproduktionen sind an eben jenen Stellen präsentiert, an denen die Maler einst ihre Staffelei aufgestellt hatten. Jeden Donnerstag vormittag gibt es zudem einen geführten Spaziergang entlang der Stationen. "Es ist vor allem das Licht, ein helles, goldenes Licht, das alle Schatten löscht. Alles, was ich bis jetzt gemacht habe, erscheint mir sinnlos"; staunte André Derain einst.

Gemalt wird in Collioure auch heute noch an jeder Ecke. Zahllose Hobbykünstler sitzen den Sommer über mit ihren Paletten an jenen Stellen, die einst die großen Künstler inspiriert haben. Sie mischen Chromgelb, Kadmiumorange, Krapprosa und Indigo, tupfen, pinseln und hoffen, dass es "très fauve" wird. Noch hat die "Bar des Templiers" ein paar Stühle draußen stehen.

Wenn der Winter kommt, wird die alte Traditionskneipe das einzige Lokal sein, das geöffnet bleibt. Dann versammeln sich alle am Ofen, der neben der Theke bullert: Das Templiers ist das inoffizielle Kunstmuseum der Stadt.

Der Schankraum ist mit zahllosen Aquarellen, Zeichnungen und Gemälden dekoriert; im Gefolge von Matisse und Derain sind einst zahllose mittellose Künstler wie Strandgut in Collioure gelandet. Sie zahlten die Zeche oft schlicht mit einem Bild. Mehr als 2000 Werke haben sich in der Kneipe von Jojo Pous auf diese Weise angesammelt.

 

Informationen

Beste Reisezeit
Herbst, Frühling.

Auf den Spuren der Wilden
Geführte Rundgänge durch Collioure, die zu den 20 berühmtesten Motiven der Fauvisten führen, gibt es jeden Donnerstag von 10 bis 12 Uhr ("chemin du fauvisme").