Allgemeines zu Montresor
In einer dicht bewaldeten Gegend der Loire liegt das Dorf Montresor, das seinem poetischen Namen voll und ganz gerecht wird.
Es hat den Ruf, eines der schönsten Dörfer Frankreichs zu sein, was zumindest heißt, dass es die nötigen Ingredienzen dafür besitzt.
Da sehen wir zunächst ein Schloss, dessen zinnengeschmückte Wehr sich im Indrois spiegelt.
Davor weiden träge die Kühe, als posierten sie ohne Unterlass für die Fotografen.
Wieder einmal war es der gefürchtete Foulques Nerra, der einen strategisch günstigen Felsvorsprung für die Anlage eines Bergfrieds nutzte.
Allerdings sind außer den Zugängen kaum noch Spuren aus dem 12. Jahrhundert zu erkennen. Nach 1493 war das Schloss in Händen der Familie Basternay.
Der erste Besitzer stand von Ludwig XI. bis Franz I. nicht weniger als vier französischen Königen beratend zur Seite.
In dieser Zeit verlor die Anlage ihren wehrhaften Charakter und wurde zu einem Lustschloss mit Stilmerkmalen der Gotik und der Renaissance.
1849 kam das Chateau durch eine Schenkung Napoleons III. an den polnischen Grafen Xavier Branicki und wurde so zu einer polnischen Enklave mitten im ländlichen Frankreich.
Graf Branicki restaurierte den Bau, der in der Revolution arg gelitten hatte, und verzichtete dabei auch leider nicht auf den damals modernen neugotischen Schnickschnack, der dem romantischen Zeitgeist entsprach.
Die Inneneinrichtung stammt vor allem aus dem Nachlass des polnischen Königs Jan Sobieski aus dem 17. Jahrhundert.
Da die heutigen Besitzer noch aus derselben Familie stammen, überrascht es wenig, auf polnische Memorabilien aller Art zu treffen.
Immerhin enthält die exquisite Gemäldesammlung auch Werke von Malern wie Hans Holbein, Raffael, Veronese und Caravaggio.
Von den schattigen Terrassen des Gartens erblickt man durch die Zedern und Mammutbäume hindurch die Dächer des mittelalterlichen Dorfes mit den feuchten Wiesen dahinter.
Ein Gang auf der Brustwehr vervollständigt dieses harmonische Bild: Lebendiger Stein, grüne Auen und der träge Flusslauf vereinen sich zum Klischeebild einer ländlichen Idylle.
Steile Stufen führen hinunter zum Fluss, vorbei an Weinkellern und kleinen Zimmermannswerkstätten.
Alte Heiligenfiguren kauern sich in Mauernischen, ein Johannes der Täufer in der Rue Branicki zeigt die Züge eines wilden Sarazenen.
In den Halles aus dem 17. Jahrhundert wurde noch vor hundert Jahren das Korn gelagert und die Wolle kardiert.
Auch heute noch lebt Montresor vom Vieh, vom Ackerbau und von der Holzschnitzerei, mittelalterliche Strukturen, die der Tourismus noch nicht aufgebrochen hat.
Mit 500 Einwohnern hat die Bevölkerungszahl allerdings einen Tiefstand erreicht. Gemeinderat und Kirche versuchen verzweifelt, das troisieme age mittels Anglerklubs und anderer seniorengerechter Angebote anzulocken.
Die Dorfkirche schließlich beweist, dass Montresor nicht ganz im Mittelalter stecken geblieben ist. Die Basternays sorgten im 16. Jahrhundert dafür, dass ihre Familiengrabstätte neben den gotischen Kirchtürmen auch eine schöne Renaissance-Fassade erhielt.
Der Brunnen neben der Kirche speist sich aus einem unterirdischen Fluss, der in 14 Metern Tiefe unter dem Dorf verläuft. Der Legende nach wurde hier in frühchristlichen Zeiten ein Schatz entdeckt, auf diese Weise soll Montresor zu seinem Namen gekommen sein.
Wie der Indrois, so überschreiten auch die geistigen und kulturellen Errungenschaften der Touraine die von der Bürokratie gezogenen Grenzen und verbreiten die besonderen Qualitäten dieser historisch so bedeutenden Region im ganzen umliegenden Land: ihren Charme, ihre Lebenskunst, aber auch ihre Selbstgenügsamkeit, verbunden mit einem guten Schuss Trägheit.
|